73 Kindheit

Ich habe erste Klasse gebucht und am Schalter hatte die Mutter mir gesagt, dass es nur einen Wagen gäbe, der erste Klasse wäre. Am Zug gibt es auch nur einen Wagen, aber mit der falschen Nummer. Ich suche jemanden, den ich fragen kann und laufe zurück zum Eingang. Da sind vorhin einige Typen in Militärkostümen unterwegs gewesen.


Bei den bewaffneten Karnevalisten angekommen, frage ich nach dem Wagen und einer kommt freundlich mit. Wir laufen den Zug ab und finden die Wagennummer nicht. Mein Soldatenfreund kratzt sich den Hinterkopf und schiebt dabei die Kappe ein wenig nach vorne. Soll ich nicht sehen, dass die hohe bewaffnete Macht ratlos ist?

Er schaut noch mal den Zug auf und ab und will noch einmal mein Ticket sehen. Er schaut nach der Nummer und macht danach die typische Thai-folge-mir-Handbewegung. Ich folge ihm. Bis zum Wagen der ersten Klasse. Wir bleiben erneut stehen und schauen wieder aufs Ticket. Er kratzt sich wieder den Kopf. Ich auch. Wir sind ratlos. Er konfus und ich hilflos. Aber dann naht die (Er-)Lösung: Ein kleiner Mann, Bahnangestellter, bringt neue Schilder am Zug an. Als er dann am Wagen der ersten Klasse das Schild auswechselt, ist mein Gefährte in Uniform etwas erlöst.

Ich bedanke mich für seine Hilfe:

„Kop khun khrap.“

Er bestätigt mit Lächeln. Geht zurück und richtet die Mütze wieder.

Ich suche den Eingang zum Wagen und sehe einige Thai-Familien, die den Wagen erklettern wollen. Ich stelle mich hinter die letzte Familie und warte, bis die Eltern ihr Frachtgut eingeladen haben. Danach sind die Kinder dran. Vier Kinder. Es könnten die Daltons sein. Nur in Thai und vermutlich jeder klüger als Little Joe.

Die größeren Kinder schaffen es, die Stufen des Zugs zu bezwingen. Der Kleinste aber schafft es nicht und bleibt stehen. Der Vater ruft ihm von oben zu und macht die typische Thai-folge-mir-Handbewegung, jedoch hat der Junge etwas Angst. Die Lücke zwischen Bahnsteig und erster Stufe muss für den Kleinen eine riesige Kluft sein. Ich schaue zum Vater und er schaut mich an. Wir wissen dann beide was zu tun ist. Globale Sprache nenne ich das.

„Sawadee khrap“, sage ich zum Drei-Käse-Hoch und hebe ihn hoch zum Vater. Er nimmt ihn mir ab und macht lächelnd nur nickende Bewegung mit dem Kopf. Anscheinend sieht er es mir an, dass ich kein Thai schwatze und nutzt wieder die globale Sprache. Anschließend gehe ich in den Zug und suche mein Zugabteil. Das Würstchen dreht sich immer wieder um und schaut mich an. Als er und sein Vater ihr Abteil erreicht haben, lächelt er etwas bübisch zu mir und stürmt in das Abteil zu den Geschwistern.

Es ist schön, eine Familie zu sehen, wo die Kinder noch Kinder sein können. Gerade in Entwicklungsländern, wo die Kindheit auf dem Reisfeld enden kann oder der Drill der Schule los geht: Beides beendet die Kindheit und die Jugend. Sehr schnell.

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3 Gedanken zu “73 Kindheit


  1. Hmm die „Thai-folge-mir-Handbewegung“ finde ich sehr cool, das ist wohl echt etwas Landestypisches 😀 … Ich finde es auch schön, wenn es noch Kinder gibt, die Ihre Kindheit leben dürfen. Aber Schule muss schon sein, Sie beendet die Kindheit doch nicht?


  2. Hallo Detlef,

    in Ländern wie wie Thailand denke ich schon, dass die Kindheit sehr schnell vorbei ist: Die Schule bereitet die Kinder oft sehr hart auf das Leben vor.

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