01 Sawadee

Wie viel verbale Jauche verträgt ein Mensch? Diese Frage kam bei mir auf, als ich in Thailand war. Einige Zeit habe ich mir das Treiben und sich Aufblähen des ätzenden Travellervölkchens angetan. Jetzt schlage ich wieder zurück. Mit diesem Blog decke ich den gesamten Seuchenherd der Traveller auf. Ohne Zensur, ohne Rücksicht, unbeherrscht.

Wie alles begann…

Alle Welt spricht davon, wie toll man in Thailand Urlaub machen kann und überhaupt wie billig es sei. Billig. So sind auch die Leute, die mir das gesagt haben. Ein schöner Urlaub, der billig ist? Geht nicht, habe ich mir gedacht. Also nahm ich mir vor, ein Projekt zu starten: Suche die ganzen hohlen Möchtegern-Hippie-Backpack-Traveller-Scheißleute in ihren Scheißklamotten und in ihren Scheißunterkünften. Zuerst habe ich mir vorgestellt, dass wird bestimmt nicht so einfach, weil diese Scheißleute ja schwer zu finden sein werden. Ist ja nicht Ballermann, oder? Weit gefehlt.


Diese Möchtegerns mit ihren Extra-für-Thailand-Dreadlockpussis trifft sich als erstes an einem Ort: Khosan Road. Aber dazu später mehr…

Vorbereitungen

Wie plant man eine Reise, um die Scheißleute anzutreffen? Denke wie ein Schaf! Genau, wie ein Herdentier! Also besorge ich mir als erstes einen Reiseführer für Idioten. Dutzend Reiseführer gibt es da zu kaufen. Da ich mich nicht mit allen eindecken will, bediene ich mich den Information aus Internetforen. Mann, was da für eine Pampe zusammengedichtet wird. Ich könnte das Kotzen bekommen. Aber ich darf nicht so schnell aufgeben!

Am Ende entscheide ich mich dann für zwei Reiseführer. Den von Stefan Loose und die deutsche Ausgabe vom Lonley Planet. Warum? Ich habe eine Liste angelegt, welche Reiseführer von Wem empfohlen werden. Dann die weiteren Forenbeiträge der Empfehlenden ausgespäht. Am Ende gab es zwei Sieger: Den für die Guten (Loose) und den für die Scheißleute (Lonley Planet). Falls Du jetzt nicht weißt, ob Du ein Guter oder ein Beschissener bist, dann lies meine Checkliste zur Auswahl des für Dich passenden Reiseführers

Also lese ich beide Thailand-Anleitungen von Anfang bis Ende. Mir wird immer deutlicher, dass ich in beide mitnehmen muss. Falls ich kurz vorm Abgrund stehe, hole ich den Loose und somit meine Erlösung raus.

Loose! Rette mich! werde ich dann aufschreien.

Wie kann man bei Einheimischen punkten? Lerne einige Brocken der Sprache! Auf der Suche bin ich auf Thaikurs.de gestoßen. Sehr nett aufgebauter Sprachkurs mit einzelnen Lektionen. Ein Typ spricht auf Deutsch seine Frau übersetzt auf Thai. Abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Tonlage des Typen, ist der Kurs zu empfehlen.

Sprachkurs auf dem Handy, das nötigste gepackt und die Route festgelegt, geht’s dann los. Meine Route beginnt in Bangkok. Ich fahre mit dem Zug bis nach Surat Thani und setze nach einer Busfahrt mit einer Fähre nach Koh Samui über. Danach wieder zurück nach Bangkok. 3 Wochen.

LTU

Ich wähle als Fluggesellschaft LTU. Es passen mehrere Faktoren zusammen, die mir entgegen kommen und die mein Projekt nicht von Beginn gefährden. Mit LTU fliegen sehr viele Pauschalurlauber, weniger Möchtegerns. Da LTU ab Berlin Nonstop fliegt und nicht in Kasachstan oder Russland landet, passt es mir ganz gut in den Kram. Ansonsten ist LTU nach Aeroflot die günstigste Fluggesellschaft. In den Foren habe ich oft gelesen, dass die Beinfreiheit nicht so toll sein soll und außerdem muss man die alkoholischen Getränke extra bezahlen. Ach ja, man hat nicht seinen eigenen Monitor für die Filme. Genau die selben Leute schreiben, dass Sie eigene Bettlaken mitnehmen und, dass sie in einem Drecksloch für 5 € gepennt haben. Genau diese billigen Leute lesen den Lonley Planet. Vier Wochen in Thailand verreisen und in den Grotten des Landes pennen ist ok, aber mal im Flieger aufstehen und Bein- und Fussübungen machen ist nicht ok?! Also kam, um nicht sofort neben Flugzeug-All-Inklusive-Leuten zu sitzen, nur LTU in Frage. Und neben Wodka-Andrej aus Wladiwostok wollte ich bei Aeroflot nicht sitzen. Aber es kommt manchmal peinlicher…

Atze und Kalle

Atzes und Kalles in dieser Welt: Ich möchte nicht Eure Namen und Verruf bringen. Aber zwei Eurer Namensvettern haben einen dunklen Punkt in mein Gehirn gemeißelt! Atze und Kalle kommen aus Sachsen. Ich finde den Dialekt eigentlich ganz Klasse. Ich komme aus Berlin und die Berliner Kodderschnauze ist das schlimmste, was es an Dialekten geben kann. Sprachlich gehören Teile Berlins nicht zu Deutschland. Atze und Kalle sind ca. 40 bis 45 Jahre alt. Sie sitzen direkt in der Reihe hinter mir. 10 Stunden muss ich das Kotzgelabere dieser zwei Typen aushalten. Nicht nur ich, sondern auch die Leute fünf Reihen vor mir, vier Reihen hinter Atze und Kalle. Die 30 Zaungäste dürfen nun unterhalten werden und erfahren, dass Atze reihum die Exfreundinnen von Kalle geknallt hat und ebenso serielle Pimperleistung von Kalle an den Verflossenen von Atze. Ich denke mir, was solls, es läuft gleich Mister Bean. Aber es wird mir ganz schnell klar: die fliegen nach Thailand, um sich flach legen zu lassen. Als die Beiden noch dann darüber anfangen zu reden, wie viele Frauen für wie wenig Geld man in Thailand bekommt, kocht langsam die Wut in mir hoch. Ein netter Typ neben mir, offensichtlich hat er meine Wut erkannt, tippt mich an und sagt mir exakt folgende Worte:

Es tut mir leid, dass Sie sich dass von hinten anhören müssen. Ich komme auch aus Sachsen und schäme mich entsetzlich für diese Männer.

Wieso muss sich ein Mann für zwei Vollpfosten entschuldigen? Wieso halten die Kerle mal nicht ihre Schnauze oder unterhalten sich so, dass ich nicht vor Wut koche? Es ist in Ordnung, wenn Sie es nur so täten, dass nicht jeder alles mitbekommen muss.

Ich platze

„Als erstes werde ich Eine von hinten…“

Mit diesen Worten begann Atze. Atze hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

„Es interessiert hier überhaupt keinen, wie, wo, wann und warum Du Deinen Trieb befriedigen willst! Mindestens das halbe Flugzeug weiß, wer Pamela, Ellen, Eileen und Doreen sind und noch mal so viele wissen auch, wer am meisten Geld fürs Ficken von Euch zweien bezahlt hat!“

Die beiden schauten mich an, als wäre gerade ein Zug gegen sie gefahren. Nichts kam raus aus Ihnen. Als Kalle ansetzte, um mir die Schnauze platt zu hauen, klatschten drei Frauen mit einem lauten Gelächter. Dann einige Leute mehr. Nichts kam aus dem Mund dieser Hirnis. Sie wussten genau, was schief gelaufen war. Ich setzte mich hin und der Typ neben mir sagte nur noch:

„Danke. Das war wie Musik in meinen Ohren.“

Mister Bean

Wir leben in einem freien Land!“, Jeder kann hier seine Meinung sagen!

und so weiter waren dann die indirekten und verbalen Gegenangriffe auf mich. Ich sagte jedoch nichts, schließlich bin ich ja ein vernünftiger Mensch und lasse mich nicht auf das elende Niveau von Sex-Touristen ab. Als dann Mister Bean losging, wollte Kalle sich Kopfhörer kaufen. Freundlich brachte eine Stewardess den Kopfhörer. Natürlich kamen immer wieder Anspielungen auf meine Attacke. Weiterhin ließ ich mich aber nicht zu einem weiteren direkten Angriff ein. Daran sieht man, wie dumm manche Menschen sein können. Anstatt die Sache ruhen zu lassen und sich nicht durch aufspielerische Attacken immer weiter zu blamieren, machen diese stümperhaften Kerle weiter. Aber es kommt wie es kommen muss: Jammerlappen Kalle kann nicht mit dem Köpfhörer umgehen.

Du, Atze, der Kopfhörer ist kaputt, glaube ich“,
Hast Du ihn kaputt gemacht?“,
Nein, der war schon kaputt. Eine Seite funktioniert nicht.“,
Mensch Kalle, verlange einen neuen. Das ist ja ne Frechheit!

Davon abgesehen, braucht man für Mister Bean keine Kopfhörer. Außer, man möchte nicht verpassen, wo die Regie das Gelächter haben möchte, um dann entsprechend opportunistisch mitzulachen.

Folglich verlangte der geistig begrenzte Kerl neue, nicht kaputte Kopfhörer. Die Stewardess brachte ihm erneut Kopfhörer. Aber diese hatten denselben Fehler. Eine Seite funktionierte nicht.

Hast Du was mit dem einen Ohr, Kalle?“,
Nein, egal an welches Ohr ich ihn halte, der eine funktioniert nicht! Ich glaube, die haben einen Serienfehler.

Um die Sache kurz aufzuklären:

Kopfhörer, die im Flugzeug verteilt werden, haben i.d.R. zwei Klinkenstecker, entsprechend dem Zwei-Stecker-Anschluss am Sitz. Aber die Hersteller packen immer einen Adapter zu den Kopfhörern, um die Zwei Kanäle zu einem zu machen. So können die Kopfhörer auch woanders, z.B. am MP3-Player eingesetzt werden. Schließt man jedoch den Adapter zwischen Sitzanschluss und Kopfhörern, erhält man nur auf einer Seite Musik, Ton etc.

Der ist auch kaputt! Haben Sie nur kaputte Kopfhörer! Da muss man sich ja beschweren!“,
Entschuldigen Sie mein Herr, aber Sie müssen den Adapter entfernen und die Kopfhörer direkt anschließen.“,
„Ohhh… Jetzt geht er!“

„Eigentlich braucht man ja kein Mister Bean, hier im Flugzeug gibt’s ja genug Comedy vom Feinsten!“

sagte mein freundlicher sächsischer Nachbar in einem dermaßen lauten Ton, dass das halbe Flugzeug in Kenntnis gesetzt wurde. Die Zuhörer lachten sich Krämpfe in den Bauch. Damit war auch endlich Ruhe in den Flieger gekommen.

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3 Gedanken zu “01 Sawadee


  1. Hallo Erdal,
    ich finde es gut, dass du diesen Blog ins Leben gerufen hast und deine Eindrücke aus dem thailändischen Alltag schilderst. Ich selbst war noch nicht in Thailand, denke aber, dass dieser Blog als gute Grundlage dient, um sich geistig auf den Urlaub vorzubereiten.
    Und nun einige Worte zu der Gruppe „Möchtegern-Hippie-Backpack-Traveller-Scheißleute“. Ich kann deine Ärgernis über diese Gruppe sehr gut nachvollziehen. Diese Menschen denken, dass sie offen zu der Kultur in Thailand sind, obwohl sie nicht mal in ihrem eigenen Land offen zu den „Menschen mit Migrationshintergrund“ sind. Ich selbst bin zwischen zwei Kulturen groß geworden. Wie man meinem Namen sicherlich entnehmen kann, stammt mein Vater, Gürbüz-Kerim Burcin, aus einer anatolischen Provinz in derTürkei und meine Mutter, Sandy-Madleen, aus Sachsen. Mein Vater hat sich als Gastarbeiter in der ehemaligen DDR niedergelassen und reihenweise aufgeschlossene und spontane Ostschnecken kennengelernt bis er sich schließlich in Sandy-Madleen verliebt hat. Übrigens ein sehr schöner Name finde ich. Daher mein interkultureller Name John-Murat. Mein Bruder heißt übrigens Alfred-Ali.
    Ich hoffe, dass ich dieser Grupoe von Hippies nicht begegnen werde in Thailand. Und falls ja, werde ich diese ignorieren, so wie die es mit mir in Deutschland tun.
    Also, freue mich auf weitere interessante Artikel in deinem Blog. Mach weiter so.
    Gruß
    J-MM


  2. alter, welch eine hommage an die fettbäuchigen ins hirngeschissenen ! absolut top, so macht lesen wahre freude ! GEIL

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