99 Guitar Man

Jedenfalls so lange, bis sich eine Tante genau vor mich stellt. Sie zückt gekonnt eine Zigarette und wartet wohl darauf, dass zweihundertachtundneunzig Männer mit edlen Sturmfeuerzeugen ihre Zigarette anmachen wollen.


Aber sie wartet vergebens. Wahrscheinlich hat sie damit gerechnet, dass die halbe Hippiefraktion kifft und somit immer das Suchtbesteck beisammen hat.

„Hey guitar man, light my cigarette, please“, sagt sie zu meinem Sitznachbarn, so cool und lässig, dass James Deans coolness, Maryln Monroes Sexapeal und Frank Sinatras Mafiakontakte niemals diese Frau toppen könnte. Nicht mal dann, wenn Elvis Presley deren Chauffeur in einem Cadillac Eldorado Cabriolet wäre.

Mein Nachbar lässt seine Sonnenbrille ein wenig auf Nase runter rutschen und drückt sie anschließend wieder an Ort und Stelle. Er schaut in den Himmel und fängt an zu lachen. Laut und aus dem Herzen. Es gibt gespieltes Lachen, aufgesetztes Lachen. Aber Mann lacht sowas von herzlich. Es ist ein ehrliches Lachen.

Sie fuchtelt mit ihre Zigarette rum setzt ein gespieltes Lächeln auf und fragt ihn:

„What’s wrong with you, guitar man?“

„Guitar man“, sagt mein Nachbar und lacht weiter.

Sie schüttelt den Kopf und geht weiter. Als sie noch nicht aus unserem Blickfeld verschwunden ist, sagt er noch mal

„Yes mam, guitar man!“, und lacht fröhlich weiter.

Aber als die Fluppentante komplett verwunden ist, hört er schlagartig auf zu lachen.

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, habe er nun freie Sicht auf die See. Dafür kann er sich das erlauben. Während der restlichen Fahrt erzählt er mir dann, dass er nach Thailand gekommen ist, um seine Schauspielerei zu trainieren. Er sei auf einer Schauspielschule in New York, dessen Namen ich auch im gleichen Momenten vergesse.

Zwischendurch kommen ein zwei Hippies und fragen Jason, ob er mit ihnen „jamen“ will. Jason erfindet bei jeder Jam-Frage eine andere Geschichte. Angefangen von Problemen am Arm über Songs, die er nicht kennt bis hin zu, dass er seiner Ex-Freundin früher immer morgens ein Lied vorgespielt und gesungen hat, aber der Trennung habe er sich bei der amerikanischen Flagge geschworen, nie mehr vor 12 Uhr Gitarre zu spielen.

Wenn das alles nicht gespielt wäre, würde ich das Zeug auch wirklich glauben. Amerikanische Fahnenliebe kann ja teilweise extrem kranke Ausmaße annehmen.

Wir erreichen Koh Samui und ich verabschiede mich noch von meinem Guitar-Man-Freund und erfahre dann noch ein kleines Geheimnis von ihm:

„I cannot play guitar.“

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