45 Drei Dumpfbacken

Da hatte ich noch einmal Glück gehabt. Die Rosinenbomber hätten mich bestimmt angequatscht und zur Rede gestellt. Jetzt suche ich mir ein anderes Plätzchen. Diesmal möchte ich mehr mitbekommen und setze ich mich neben drei Deutsche: zwei Typen und ein Mädel.


Ich packe den Lonley Planet auf den Tisch, um zu zeigen, dass ich einer von ihnen bin. Das funktioniert auch sehr gut.

„Kommst Du auch aus Deutschland?“
„Ja.“
„Cool!“

Ich lächle und bevor ich überhaupt antworten kann, schießt sie wieder los:

„Wie lange bist Du schon in der Khao San Road?“

Alleine an dieser Frage sieht man, wie viel die von Thailand gesehen haben…

„Ich komme nur hierher um…. um einzukaufen.“
„Ich ist toll hier, oder? Alles so billig!“
„Ja.“
„Wie lange bleibst Du in der Khao San Road.“
„Nicht lange. Aber ich bin ja nicht nach Thailand gekommen, um in Khao San Road zu bleiben.“
„Also wir finden die Khao San Road echt Welt!“
„Welt?“
„Fett!“
„Fett?“
„Mensch wir sind gerne hier!“
„OK, ich verstehe.“

Als die Kellnerin in ihrem blauen Minikleid zu mir kommt, bestelle ich der Situation angepasst:
„One big bier, the biggest you have and a double Whiskey. Thai Whiskey, please.“

Sie grinst mich an und verzieht sich dann auch wieder. Leider. Denn jetzt fängt der Typ (ich glaube es ist der Stecher vom Mädel):

„Du hast ja richtig durst.“
„Ja und nein. Es ist vielleicht ganz gut, um die Khao San Road überhaupt zu ertragen.“
„Wo wohnst Du denn?“
„In der Sukhumvit Road.“
„Kenn ich nicht.“

Kein Wunder… Jetzt spricht mich der stumme dritte an:

„Kann ich mal in deinen Reiseführer rein schauen? Wir haben keinen.“

„Ja klar, bitte. Man sagt, dort wäre das Touristenviertel. Aber man sieht sie kaum. Eher Leute, die hier in Thailand arbeiten oder geschäftlich zu tun haben, sind dort anzutreffen.“
„Hört sich ja ziemlich langweilig an.“
„Kann man sagen. Man hat sehr schnell seine Ruhe. Weil die Hotels auch sehr komfortabel sind. Wo übernachtet hier?“
„In einem Gästehaus.“
„Ist wie campen, oder?“
„Ja, fast. Wir finden es echt Welt! Das Zimmer ist riesig und sauber.“
„Riesig?“
„Ja. Fast zwanzig Quadratmeter!“

Ich kann mich vor lachen kaum halten. Die haben ein Zimmer zu dritt oder mehr, was die riesig finden. Gut, zum pennen reichts ja. Aber riesig? Die Minikleid-Thai kommt mit meinen Getränken. Ohne mit meinen neuen Freunden zu prosten, haue ich den doppelten Whiskey mit einem Mal weg. Er schmeckt widerlich. Ich trinke sehr ungern Whiskey. Aber jetzt habe ich einen gebraucht. Zum Glück habe ich das Bier, um nach zu spülen.

„Ja, zum schlafen reichts ja.“
„Wieso reichen?“
„Nun, mein Zimmerchen ist da etwas größer…“
„Wie groß denn?“

Eigentlich hasse ich diese „Meiner-ist-länger-als-deiner“-Gespräche. Aber ich lasse mich mal darauf ein.

„Ich würde sagen, fast das doppelte.“
„Wie vierzig?“
„Fast.“
„Alleine?“
„Ja. Mit einem Kingsize-Bett und einer Matraze, die vielleicht 30-40cm dick ist. Wenn man hier einen anstrengenden Tag hatte, dass lässt sich darin sehr gut schlafen.“

Ich komme mir in diesem Augenblick vor, wie ein Pornodarsteller mit Totschläger zwischen den Beinen.

„Mit eigenem Bad?“

Hilfe! Ich will hier weg! Ich BIN der Pornodarsteller! Ich nehme noch einen großen Schluck vom Bier.

„Ja, was man von einem 4-Sterne-Hotel erwartet.“
„4-Sterne? Da sitzt ja bei einem die Kohle ganz locker!“
„Nein. Das bestimmt nicht. In Deutschland könnte ich mir eine Nacht in der Kategorie nicht leisten. Hier wird es einem mit 36 Euro die Nacht hinterher geworfen. Das nutze ich aus. Und zwischen 20 Euro die Nacht in einem Gästehaus hier und den 36 Euro ist kein so großer Unterschied. Man zahlt vielleicht das Doppelte, bekommt aber das zehnfache zurück.“

Die drei verstummen mit großen Fragezeichen im Gesicht. Das Mädel schaut ihren Stecher mit einem ganz scharfen Blick an und krächst ihn dann an:

„Toll, Stefan! Wir hätten uns das auch leisten können!“
„Anton meinte aber, das wäre das beste Gästehaus in Thailand.“
„Ja. Ich will auch ein Kingsize-Bett und nicht zu viert ein Zimmer teilen!“

Mein Bier leere ich fast mit einem weiteren Schluck. Um die Situation etwas zu entschärfen, sage ich zu den beiden:

„Aber wenn man von der Sukhumvit Road hierher will, dann braucht man sehr lange. Auch die ganzen Sehenswürdigkeiten liegen ja hier in der Nähe. Und wenn ihr wollt, dann könnt ihr doch noch umziehen. So machen es doch viele.“

Der stumme dritte meldet sich jetzt nach langem Studium des Reiseführers:

„Wir haben schon zwei Wochen bezahlt. Wo kann man denn was über die Sehenswürdigkeiten hier in der Nähe lesen?“

Zwei Wochen? Zwei Wochen Khao San Road?

„Wo wollt ihr danach noch hin? In den Süden?“
„Wir sind die zwei Wochen hier.“

Irgendwie tun die drei mir jetzt leid. Ich leere mein Bier und rufe die Kellnerin.

„Wo gehst Du denn noch hin?“
„Ich fahre noch runter nach Samui, um einige Tage zu entspannen.“
„Siehst Du! Das hätten wir auch machen können!“
„Aber Anton hat doch gesagt…“
„Ist mir egal, was Anton gesagt hat. Du hättest Dich einfach mehr informieren können!“
„Wieso immer ich?“

Bevor, ich noch weiter in den Beziehnungs-Terror rein gezogen werde, schnappe ich mir den Reiseführer und bezahle die Rechnung.

Hoffentlich sehe ich die drei nie wieder… Ich steuere die nächste Bar an.

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